Wir leben nach der Zeit, ohne darüber nachzudenken. Es ist ganz normal für uns, dass alles, was wir tun, in Zeit gemessen werden kann, dass wir ihrem Lauf durchgetaktet folgen wie ein Uhrwerk.
Nun nehmen viele Menschen ihre Belastungsgrenze immer deutlicher wahr. Sie erkennen, dass sich Zeit kaum in Geld aufwiegen lässt. Für sie wird die selbstbestimmte Verfügbarkeit über die eigene Lebenszeit immer mehr zu einem Kriterium für Wohlstand und Gesundheit.
Der digitale Fortschritt ist Treiber dieses Trends. Denn Digitalisierung ist kein neues technisches Spielzeug, sondern eine gesellschaftsprägende Entwicklung. Die Arbeitsweise in den meisten Unternehmen und Berufen wird sich in den kommenden Jahren komplett verändern. Da, wo bisher weitgehend prozesshaft gedacht und mit klaren Zielvorgaben relativ gleichmäßig getaktet gearbeitet wurde, werden sich mit zunehmender Geschwindigkeit betriebliche Abläufe und Arbeitsbedingungen beschleunigen. Gleichzeitig flexibilisiert sich die Arbeit selbst durch zunehmende Mobilität, virtuelle Zusammenarbeit und Wegfall fester Arbeitszeiten.
Deshalb haben viele Organisationen in den vergangenen Jahren flexible Arbeitszeitmodelle eingeführt. Von gleitenden Arbeitszeiten über Vertrauensarbeitszeit und Teilzeit bis hin zum Jahresarbeitszeitkonto ist vieles möglich geworden, was rund um die Milleniumswende noch die große Ausnahme darstellte. Immer mehr Beschäftigte haben die Möglichkeit, mehrmonatige Auszeiten in Form von Sabbaticals zu nehmen oder in Altersteilzeit zu gehen.
Flexibilisierung ist keine Einbahnstraße
die nur aus Unternehmenssicht von den wirtschaftlichen Anforderungen her gedacht werden kann. Man sollte meinen, dass die geltenden Regelungen nicht nur den Arbeitgebern, sondern auch den Beschäftigten einen recht weit gesteckten Rahmen bieten, in dem sie ihr berufliches Engagement in Übereinstimmung mit persönlichen Interessenlagen gestalten können.
Befragungen unter Mitarbeitern belegen jedoch, dass diese mehrheitlich nur wenig Einfluss auf ihre Arbeitszeiten nehmen können. Auch wenn der klassische „9 to 5“-Job weitgehend ausgedient hat, wird gewohnheitsmäßig so weitergearbeitet wie zu vor. Führungskräfte diktieren die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter und lehnen kategorisch Teilzeit in ihren Teams ab. Die althergebrachte Präsenzkultur verhindert das Arbeiten im Homeoffice und in der Mittagszeit anberaumte Meetings unterlaufen notwendige Erholungspausen. Auf diese Art wird das vorhandene Flexibilisierungspotenzial, wenn überhaupt, nur einseitig ausgeschöpft. In gleichem Maße steigt die Unzufriedenheit auf Seiten der Beschäftigten, die sich immer mehr im Korsett von Zeit und Arbeitslast unter Druck gesetzt sehen.
Homeoffice – Segen oder Albtraum?
Aktuell wird der Ruf nach Homeoffice immer lauter, möglicherweise wird der Anspruch darauf schon bald gesetzlich verankert. Auf Seiten der Mitarbeiter resultiert der Wunsch danach aus dem Bedürfnis, Arbeits- und Privatleben besser miteinander vereinbaren zu können. Dabei ist die Rechnung ganz einfach: wer sich z.B. 2 x pro Woche einen einstündigen Arbeitsweg sparen kann, gewinnt einen halben Arbeitstag Zeit. Zeit, die für die wichtigen Beziehungen und persönlichen Interessen zur Verfügung steht, anstatt im Stau zu stehen oder in übervollen Pendlerzügen zu sitzen. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, hat also in vielfacher Hinsicht eine entschleunigende Wirkung: sie entlastet nicht nur verstopfte Verkehrswege, sondern sie schafft auch flexible, frei gestaltbare Zeit und nimmt Anstrengung aus dem Alltag.
Im besten Fall bilden gesetzliche Regelungen, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen einen geeigneten formellen Rahmen. Idealer Weise entscheiden wir selbst, wie wir uns in dem gesteckten Rahmen bewegen:
- Arbeite ich gern und gut im Homeoffice?
- Braucht es in meiner aktuellen Lebenssituation Teilzeit?
- Will ich mit zunehmendem Alter sukzessive aus dem Berufsleben ausscheiden?
Inwieweit wir das tun oder lassen möchten, hängt von unserer jeweiligen Motivation und unseren Interessenlagen ab. Zugegeben, ob wir es dann auch tatsächlich TUN, ist abhängig vom beruflichen Umfeld und nicht zuletzt dem persönlichen und finanziellen Handlungsspielraum.
Sind Sie interessiert daran, flexible Arbeitsmodelle mit Leben zu füllen? Dann nehmen Sie gern Kontakt zu mir auf!
Mehr lesen in MOBILE WORK – ARBEITEN JEDERZEIT UND ÜBERALL
und in meinem Buch Slow Work | Slow Life: Entschleunigt und gelassener leben
1 Gedanke zu „Zeit ist die neue Währung“